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“Burden of Disease“

“Burden of Disease“: Herausforderungen und Folgen rheumatischer Erkrankungen

Rheumatische Erkrankungen stellen eine bedeutende gesundheitliche Schwierigkeit dar, die Millionen von Menschen weltweit betrifft. Von entzündlichen Formen wie rheumatoider Arthritis bis hin zu nichtentzündlichen Gelenkerkrankungen können sie schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebensqualität, die Arbeitsfähigkeit und die finanzielle Stabilität der Betroffenen haben.

Häufigkeit rheumatischer Erkrankungen und mögliche Auswirkungen

Man kann grundsätzlich zwischen nicht-entzündlichen also degenerativen und entzündlichen rheumatischen Erkrankungen unterscheiden. Circa 25 Millionen Menschen in Europa leiden an einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung, während nichtentzündliche Gelenkerkrankungen noch häufiger sind.1;2 Die meisten Patient:innen, die von Rheumatolog:innen behandelt werden, haben entzündliche rheumatische Erkrankungen, von denen es hunderte verschiedene gibt. Mindestens 200.000 bis 290.000 Personen in Österreich leiden an einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung.3 Die Ursachen liegen oft in Immunstörungen (Autoimmunerkrankungen). Die Entzündungen können verschiedene Organe und Gelenke betreffen und führen zu irreversiblen Schäden, daher ist eine rasche und konsequente Behandlung der Krankheit von höchster Priorität. Ein chronischer Entzündungsprozess kann auch andere Organe wie Herz, Nieren oder Lunge schädigen und das Risiko für weitere schwere Erkrankungen wie Herzkrankheiten, Diabetes, Osteoporose, Darmerkrankungen und neurologische Erkrankungen erhöhen.4;5;6 Patient:innen mit rheumatoider Arthritis haben ein doppeltes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, also Herz- und Gefäßsystem betreffend, metabolisches Syndrom und Diabetes wie Vergleichspersonen, die nicht an RA leiden. In Bezug auf Krebserkrankungen kann bei Lymphomen und Lungenkrebs ein Zusammenhang mit rheumatischen Krankheiten beobachtet werden. Bei schweren Systemerkrankungen wie zum Beispiel Lupus oder Sjögren ist das Krebsrisiko doppelt so hoch im Vergleich zu der nicht betroffenen Vergleichsbevölkerung.7;8,9

Das Lebenszeitrisiko eine entzündliche rheumatische Erkrankung zu bekommen, wird entsprechend einer US-amerikanischen epidemiologischen Erhebung mit 8,4 % für Frauen und 5,1 % für Männer angegeben.10 Patient:innen mit rheumatoider Arthritis haben ein um 63 Prozent höheres Risiko für Herzinfarkt als Vergleichspersonen. Lupus erhöht das Herzinfarktrisiko um 98 % und es besteht ein dreifach erhöhtes Risiko für Lymphome (bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems). Bei Lupus besteht doppeltes Risiko für Myelome (Leberkrebs) und rheumatoide Arthritis erhöht das Lungenkrebsrisiko um das 1,25 Fache.4;5,1,9

Rheuma – ein Problem der älteren Generationen?

Entzündliche rheumatische Erkrankungen können Menschen jeden Alters betreffen, nicht nur ältere Menschen. Obwohl die rheumatoide Arthritis normalerweise bei Personen über 40 oder 50 Jahren auftritt, beginnen viele entzündliche rheumatische Erkrankungen bereits im jungen Erwachsenenalter, einige manifestieren sich sogar im Kindes- und Jugendalter. In Österreich gibt es rund 2.000 Kinder und Jugendliche, die an Rheuma erkrankt sind.11

Burden of Disease

Rheumatische und muskuloskelettale Erkrankungen verursachen erhebliche Belastungen für Betroffene, einschließlich Schmerzen, starken Einschränkungen der Lebensqualität und Mobilität, Behinderungen und sogar verkürzten Lebenserwartungen. Die Gesamtbelastung einer Krankheit wird als “Burden of Disease” bezeichnet und kann durch verschiedene Kennzahlen wie Erkrankungsrate (Inzidenz), Erkrankungshäufigkeit (Prävalenz) und weiterer Parameter quantifiziert werden.

Nach einer WHO-Studie sind 27 % der europäischen Bevölkerung von rheumatischen

und muskuloskelettalen Erkrankungen betroffen. Dies macht die Hauptursache für Behinderungen in Europa aus und für ist für mehr als 50 % der in Behinderung verbrachten Lebensjahre verantwortlich. Chronische Krankheiten, wie RMDs, führen zu erheblichem Leiden und permanenten Belastungen für Betroffene und ihre Familien.12 Sie verursachen auch hohe sozioökonomische Kosten, einschließlich Produktivitätsverlust und indirekter krankheitsbedingter Kosten. Daher rücken sie zunehmend in den Fokus der europäischen Gesundheitspolitik, obwohl sie immer noch im Vergleich zu akuten Krankheitsfällen wenig Aufmerksamkeit erlangen.

Ein EU-Forschungsprojekt unter dem Namen “Horizon Europe”, dem EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, wurde kürzlich gestartet. Dieses umfasst 13 führende Institutionen aus Europa, darunter auch österreichische. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den unerfüllten Bedürfnissen der Erkrankten, insbesondere dem durch Krankheit bedingten Produktivitätsverlust. Laut einer multinationalen Studie in 32 Ländern scheiden bereits ein Drittel aller Patient:innen mit rheumatoider Arthritis innerhalb von 5 Jahren nach der Diagnose aus dem Erwerbsleben aus. Diese Problematik betrifft Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen und unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status, wie Daten aus Ländern mit unterschiedlichem Bruttoinlandsprodukt zeigen.12;13

In Österreich sind, laut der österreichischen Gesundheitsbefragung von 2019, 38,3 Prozent der Bevölkerung von chronischen Krankheiten betroffen. Die Erkrankungen führen zu einer hohen Zahl von Krankenstandsfällen. 26 Prozent, und damit der größte Anteil, machen chronische Kreuzschmerzen oder andere chronische Rückenleiden aus. Darauf Folgen Allergien mit 22,9 Prozent und Bluthochdruck/Hypertonie mit 21,8 Prozent.14;15

Krankenstände

Im Jahr 2021 wurden laut Daten des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger 616.895 Krankenstandsfälle wegen „muskuloskelettalen und Bindegewebserkrankungen“ verzeichnet. Das entspricht 177 Krankenstandsfällen pro 1.000 Erwerbstätigen. Damit sind die „Krankheiten des Muskelskelettsystems und des Bindegewebes“, wobei immer entzündliche und nichtentzündliche Erkrankungen gemeinsam erfasst werden, der zweithäufigste Krankenstandsgrund nach den Krankheiten des Atemsystems. Die Dauer eines Krankenstandes lag im Jahr 2021 in Österreich – unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung – bei durchschnittlich 10,3 Tagen. Bei Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes dauerte ein Krankenstand durchschnittlich 15,3 Tage.15

Frühpensionen

Durch chronische Krankheiten kommt es auch vermehrt zu Frühpensionen. Im Jahr 2022 gab es 12.693 Neuzugänge zu Pensionen der geminderten Arbeitsfähigkeit beziehungsweise dauernden Erwerbsunfähigkeit. Bei 2.651 Fällen dauernder Erwerbsunfähigkeit lag der Grund in Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes. Ein weiterer Grund sind Neubildungen (Krebserkrankungen) mit 1.880 Diagnosen, dicht gefolgt von Krankheiten des Kreislaufsystems mit 1.553 Fällen. Häufiger waren nur psychische und Verhaltensstörungen mit 3.774 Fällen.16

In Anbetracht dieser Herausforderungen und der weitreichenden Folgen rheumatischer Erkrankungen ist kontinuierliche Forschung von entscheidender Bedeutung, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Durch eine verstärkte Aufklärung, Früherkennung und effektive Behandlungsmethoden kann die Last dieser Erkrankungen gemindert und den betroffenen Personen eine bessere Lebensperspektive geboten werden. Die fortschreitende Entwicklung in der Rheumatologie und die Integration verschiedener Fachgebiete zeigen vielversprechende Ansätze für eine ganzheitliche Betreuung und Therapie von Patienten mit rheumatischen Beschwerden.

Anna Lena Scheutz, ÖRL

 

Quellen

1 Daten von EULAR advocay, https://www.eular.org/eular-advocacy-activitiesand-materials -> 1.) RMDs and cardiovascular risk_pdf; 2.) RMDs and cancer_pdf ; 3.) RMDs and mental health_pdf

2 WHO Rehabilitation Need Estimator, https://vizhub.healthdata.org/ rehabilitation/#0; letzte Abfrage: 14. 6. 2023

3 Albrecht K, Binder S, Minden K, Poddubnyy D, Regierer AC, Strangfeld A, Callhoff J: Systematisches Review zur Schätzung der Prävalenz entzündlich rheumatischer Erkrankungen in Deutschland [Systematic review to estimate the prevalence of inflammatory rheumatic diseases in Germany. German version]. Z Rheumatol 2023 Jan 2. German. DOI: 10.1007/s00393-022-01305-2. Epub ahead of print. PMID: 36592211

4 Lévy L, Fautrel B, Barnetche T et al.: Incidence and risk of fatal myocardial infarction and stroke events in rheumatoid arthritis patients. A systematic review of the literature. Clin Exp Rheumatol 2008 Jul–Aug; 26(4):673–9. PMID: 18799105

5 Restivo V, Candiloro S, Daidone M et al.: Systematic review and meta-analysis of cardiovascular risk in rheumatological disease: Symptomatic and non-symptomatic events in rheumatoid arthritis and systemic lupus erythematosus. Autoimmun Rev 2022 Jan; 21(1):102925. DOI: 10.1016/j.autrev.2021.102925. Epub 2021 Aug 26. PMID: 34454117

6 Dijkshoorn B, Raadsen R, Nurmohamed MT: Cardiovascular Disease Risk in Rheumatoid Arthritis Anno 2022. J Clin Med 2022 May 11; 11(10):2704. DOI: 10.3390/jcm11102704. PMID: 35628831; PMCID: PMC9142998

7 Simon TA, Thompson A, Gandhi KK et al.: Incidence of malignancy in adult patients with rheumatoid arthritis: a meta-analysis. Arthritis Res Ther 2015 Aug 15; 17(1):212. DOI: 10.1186/s13075-015-0728-9. Erratum in: Arthritis Res Ther 2016; 18(1):100. PMID: 26271620; PMCID: PMC4536786

8 Zhong H, Liu S, Wang Y et al.: Primary Sjögren’s syndrome is associated with increased risk of malignancies besides lymphoma: A systematic review and meta-analysis. Autoimmun Rev 2022 May; 21(5):103084. DOI: 10.1016/j. autrev.2022.103084. Epub 2022 Mar 24. PMID: 35341972

9 Clarke AE, Pooley N, Marjenberg Z et al.: Hammond ER, Risk of malignancy in patients with systemic lupus erythematosus: Systematic review and meta-analysis. Semin Arthritis Rheum 2021 Dec; 51(6):1230–1241. DOI: 10.1016/j.semarthrit.2021.09.009. Epub 2021 Sep 30. PMID: 34710720

10 DGRh, aktuelle Website; Crowson CS et al.: The lifetime risk of adult-onset rheumatoid arthritis and other inflammatory autoimmune rheumatic diseases. Arthritis Rheum 2011 Mar; 63(3):633–9. DOI: 10.1002/art.30155. PMID: 21360492; PMCID: PMC3078757

11 Österreichische Ärztezeitung https://aerztezeitung.at/2021/oaz-artikel/medizin/juvenile-idiopathische-arthritis-nicht-fuer-immer/

12 EU-Projekt SQUEEZE (Maximising Impact of Prescription Drugs in Rheumatoid Arthritis) im Rahmen von „Horizon Europe“, https://squeeze-project.eu/ about/; letzte Abfrage: 7. 6. 2023

13 Sokka T, Kautiainen H, Pincus T et al.: QUEST-RA. Work disability remains a major problem in rheumatoid arthritis in the 2000s: data from 32 countries in the QUEST-RA study. Arthritis Res Ther 2010; 12(2):R42. DOI: 10.1186/ ar2951. Epub 2010 Mar 12. PMID: 20226018; PMCID: PMC2888189

14 Statistik Austria: österreichische Gesundheitsbefragung 2019, www. statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/gesundheit/gesundheitszustand/gesundheitszustand-selbstberichtet; letzte Abfrage: 12. 6. 2023

15 Daten der Statistik Austria, Krankenstandsfälle 2021, https://www.statistik.at/statistiken/arbeitsmarkt/arbeit-und-gesundheit/ krankenstaende; letzte Abfrage: 12. 6. 2023

16 Daten der Statistik Austria, Pensionen 2021, https://www.statistik.at/ statistiken/arbeitsmarkt/arbeit-und-gesundheit/pensionen-der-gemindertenarbeitsfaehigkeit/erwerbsunfaehigkeit; letzte Abfrage: 12. 6. 2023

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